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Do it! Meine To-Do-Liste fürs Indie-Netz

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen
Do it! Meine To-Do-Liste fürs Indie-Netz

Als es für mich mit dem Netz losging Mitte der Neunziger, war das Tollste, dass es so viel Selbstgemachtes zu entdecken gab. Webringe waren damals das große Ding, das waren thematisch vernetzte, persönliche Websites. Ich war damals ein großer Fan der Fantasywelt Dragonlance (junge Jahre), des Rollenspiels Vampire und der Romane von Philip K. Dick. Zu all diesen Themen gab es Webringe von Fans aus der ganzen Welt, dezentral über automatisierte Link-Einblendungen miteinander vernetzt.

Ich will das gar nicht überhöhen, mir fiel das nur ein, als ich darüber nachdachte, warum mich die großen werbefinanzierten Plattformen wie Google oder Facebook heute so wenig begeistern. Ich glaube, es ist verglichen mit den verschiedenen Usenet-Gruppen, den Webringen und all den nicht-kommerziellen Geschichten eine gewisse Gleichförmigkeit bei den auf hohe Reichweiten und Finanzierung per Werbung optimierten Plattformen. Einige Inhalte sind von Nutzern selbst gemacht, viele kommen von Marken und großen Medien, die Möglichkeiten zur Selbstorganisiation und Interaktion sind vorgegeben, eine Facebook-Marke unterscheidet sich von einer anderen strukturell wenig.

Das ist ein ganz knapper Verbalisierungsversuch meines Unbehagens auf den Seiten einiger großer Web-Monolithen (Monolith im Sinne von riesig und gleichförmig bei Geschäftsmodellen und Struktur) im Netz. Das mag unvollständig, schief und falsch sein, es ist halt vor allem ein Gefühl. Und ich will mich gar nicht groß mit diesem Gefühl aufhalten, sondern mehr darüber schreiben, wie sich das ändern lässt. Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht. Falls ja: Vielleicht hilft euch mein persönlicher Fünf-Punkte-Plan fürs Indie-Netz. Um nicht nur rumzugranteln und unzufrieden zu sein, habe ich aufgeschrieben, was ich persönlich tun kann, um das Netz vielfältiger und dezentraler zu gestalten. Kurz: Do it, damit das Netz ein wenig mehr so wird, wie ich es mag.

Meine persönliche To-Do-Liste sieht so aus:

1. Was immer möglich ist, selbst dezentral hosten.

Ich hoste so viel wie möglich selbst, was ich mir mit meinem Basiswissen eben zutraue: Mein Blog (WordPress), meinen RSS-Reader (Fever), meine Fotoseite (Koken), mein Twitterarchiv (Tweetsnest), eine Twitter-Analyse (Thinkup), eine URL-Kürzer (Yourls).

Ich will mein Texte und Fotos auch auf einer Plattform anbieten, die den Onlinewerbe-Verwertungsregeln nicht unterworfen ist. Kein Tracken, Skripte von Facebook, Twitter und den anderen Monolithen nur mit Zwei-Klick-Lösung eingebunden und so weiter.

Ich teile die Überzeugung der Indieweb-Bewegung:

»We should all own the content we’re creating, rather than just posting to third-party content silos. Publish on your own domain, and syndicate out to silos. This is the Basis of the »Indie Web« movement.«

In der Praxis scheitert POSSE (Publish (on your) Own Site, Syndicate Elsewhere) bei mir allerdings noch daran, dass das Indieweb-Plugin zum Einsammeln der Reaktionen bei meiner WordPress-Konfiguration in allen Iterationen seit einem Jahr einen fatalen Fehler produziert. Meine rudimentären PHP-Wissen reichen nicht aus, um den Fehler zu finden und das weiterzuentwickeln. Daran will ich langfristig etwas ändern, aber das ist ein anderer Punkt. Wer in Silos posten und es von da zurückholen will, kann gut Reclaim nutzen. Das funktioniert in meinem kleinen Testlauf, macht mich aber nicht glücklich.

2. Alternativen zu Online-Monolithen nutzen und fördern.

Bestimmte Software will ich nicht selbst hosten und pflegen. E-Mail und Online-Datenverwaltung überlasse ich wegen der Daten und der nötigen Updates, Zertifikate und so weiter lieber Menschen, die das hauptberuflich machen. Auch das gibt es gute Alternativen zu den Online-Monolithen. Als E-Mail-Dienstleister nutze ich Mailbox.org aus Berlin seit der Gründung. Ich habe den Google-Kram nie vermisst und zahle gerne einer Firma etwas Geld für eine  derart wichtige Dienstleistung.

Ähnlich ist es bei den Bookmark-Verwaltern Pinboard und Diigo (besser zum Arbeiten in Gruppen) – ich kenne da keine Alternativen zum Selberhosten – hat jemand Tipps?. Ich habe bis heute leider keinen Owncloud-as-a-service-Anbieter für Privatkunden in Deutschland gefunden. Die eigene Installation war mir wegen Datenverlusten bei Updates und Synchronisierungskonflikten zu nervenaufreibend. [highlight style=”1,2″]Derzeit bin ich mit den ganzen nicht kritischen Daten (die kommen nicht auf Server) bei Spideroak würde aber gerne etwas in Deutschland nutzen. Hat jemand Empfehlungen?[/highlight]

Auch fürs gemeinsame [highlight style=”1,2″]Schreiben an Online-Dokumenten habe ich keine echte Alternative zu Google Docs[/highlight]. Ich würde gerne mit Benutzerlogins arbeiten, nicht nur auf URL-Basis. Für Zusammenarbeit auf URL-Basis ist Firepad fein, aber mit Logins und festen Rollen kenne ich nichts Vergleichbares. Empfehlungen?

Überhaupt nutze und fördere ich Software unabhängiger, spezialisierter Entwickler, wo es geht. Nicht wegen der guten Sache, auch aus Eigennutz: Wenn Menschen Jahre lang ein Werkzeug entwickeln, mit den Nutzern sprechen und deren Feedback aufnehmen, kommt in der Regel etwas Tolles für einen bestimmten Zweck heraus. Eben nicht reichweiten-optimierter Durchschnitt, sondern Meisterwerke wie Scrivener. Ich hoffe, dass aus Qabel etwas Ähnliches für Verschlüsselung wird.

3. Das Netz bereichern, nicht kommerzielle Monolithe.

Das ist der wichtigste Punkt und da bin ich erst am Anfang: Ich bin es leid, mich über kommerziellen Kram im Netz zu ärgern und etwaige Schwächen der Wikipedia. Was ich persönlich zum Netz als selbst und dezentral organisiertem Wissensspeicher beitragen kann, mache ich jetzt. Mein Ziele für dieses Jahr:

  • Jeden Monat mindestens vier Mal einen Artikel zu Themen, bei denen ich mich besser auskenne, in der deutschsprachigen Wikipedia erweitern, aktualisieren, pflegen.
  • Die Wikipedia um Fotos bereichern – unter freier Lizenz.
  • Bloggen!

Was mir fehlt: [highlight style=”1,2″]Kennt jemand eine nicht-kommerzielle Plattform, um eine Community um ein Thema herum aufzubauen? [/highlight] Ich finde zum Beispiel Subreddits zu Netzneutralität sehr hilfreich, um auf dem Laufenden zu bleiben und Hinweise zu neuen Studien und Entwicklungen zu bekommen. Das erinnert mich an Usenet-Gruppen oder Metafilter. Gibt es nicht-kommerzielle Orte im Netz für derartiges? So etwas wie Webringe in heute. Man könnte sich über mehrere Server hinweg Diskussionen teilen zum Beispiel.

4. Python lernen.

Das ist ein sehr langfristiges Projekt. Erstmal Python, dann hoffentlich mehr. Ich habe ein paar Probleme, die ich lösen will, aber ohne mehr Programmierkenntnis nicht lösen kann. Es wäre zum Beispiel ein Leichtes (denke ich), aus den verabschiedeten Texten von Parlament, Kommission und Rat beim EU-Trilog einen konsolidierten Text mit Diff-View wie in der Wikipedia zu erstellen. Die Rohdaten sind alle da, aber kein Medium nutzt die, niemand bereitet diese Informationen öffentlich nutzbar auf. Das ginge automatisiert, ließe sich scrapen, wäre legal – aber ich muss für so etwas erstmal entwickeln lernen. Das ist bei vielem so, was das Netz bereichern könnte. 2015 hoffentlich mehr.

5. NNGOs unterstützen.

Die Netz-NGOs (NNGO) sind unterfinanziert. EDRi in Brüssel hat theoretisch nicht mal genug Leute, um ein Thema richtig zu bearbeiten, ist aber an Datenschutz-Grundverordnung, Netzneutralität, Urheberrecht usw. dran. Deshalb spende ich für EDRi, denn ohne europäische Öffentlichkeit (siehe 4.) sind die Äußerungen von NNGOs die einzige Stimme für Nutzerinteressen im Brüsseler Diskurs und NNGOs die einzigen Beobachter mit Nutzerperspektive bei vielen EU-Themen.

Den SuMa eV unterstütze ich, weil ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Suchmaschinen-Technologie und des freien Wissenszugangs genau die Organisationsform für Intermediäre ist, die ich mir als Korrektiv zu kommerziellen Reichweiten-Onlinewerbe-Firmen wünsche. SuMa aus Hannover betreibt Metager und kleine praktische Dinge wie eine Yourls-Installation für jedermann (URL-Kürzer). Ich hoffe, SuMa findet noch viel Unterstützer oder einen Millionär, der ihnen Stiftungskapital gibt. Mit einem gemeinnützigen Verein als Basis und Kapital könnte man beispielsweise einen Index pflegen, aus dem jeder seine eigene Suchmaschine speisen kann.

Und ihr?

So, das ist meine To-Do-Liste. [highlight style=”1,2″]Was fehlt?[/highlight]

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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