In Deutschland ist Online-Pokern mit Geldeinsatz verboten, wird aber kaum verfolgt. Doch Zockern kann ein böses Erwachen drohen: Wenn die im Ausland ansässigen Kasinos entscheiden, die Gewinne der Spieler einzuziehen – wegen Verstößen gegen die oft undurchsichtigen Regeln.
280 Dollar! Das ist nicht viel Geld für Andre W. (Name von der Redaktion geändert). Der Projektmanager bei einem deutschen Beratungsunternehmen hat beim Online-Poker schon mehr gewonnen – und auch mehr Echtgeld eingezahlt. Bis das Online-Kasino vor kurzem plötzlich sein Spielkonto sperrte und die 280 Dollar darauf einzog. Warum, wurde W. nicht mitgeteilt.
Der Freizeitspieler reimte sich selbst zusammen, was die Sperrung provoziert haben könnte: "Ich gehe davon aus, dass es damit zusammenhängt, dass ich von Brasilien aus auf die Seite zugegriffen habe – ich war dort im Urlaub." Auf seine Anfragen ging der Kundendienst nicht ein: "Sie meinten nur, ich hätte gegen die AGB verstoßen und die Entscheidung sei endgültig. Immer derselbe Text. Da der Firmensitz irgendwo auf Gibraltar ist, muss man auch keinen Gedanken daran verschwenden, rechtliche Schritte einzuleiten."
Fazit: Das Geld ist weg.
Von ähnlichen Problemen berichten viele Spieler in Poker-Foren. Erstaunlich dabei: Sie gestehen dabei alle freimütig, mit Klarnamen und für jeden lesbar ein, dass sie Straftaten begangen haben. Denn das Zocken um Echtgeld bei Poker-Portalen im Web ohne behördliche Erlaubnis verstößt gegen Paragraph 285 des Strafgesetzbuchs: Wer sich an unerlaubtem Glücksspiel beteiligt, kann danach mit "Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu einhundertachtzig Tagessätzen" bestraft werden.
Verboten, aber kaum verfolgt
Der Hamburger Anwalt Martin Bahr, Experte für Glücksspielrecht und das Recht der Neuen Medien, sieht bei diesem Gesetz wenig Interpretationsspielraum: "Wer in Deutschland bei einem Online-Anbieter im Ausland mit mehr als 50 Cent Einsatz spielt, macht sich strafbar, ohne Wenn und Aber. In der Begründung dieses Ende der neunziger Jahre neu formulierten Paragraphen ist ausdrücklich das Glücksspiel im Internet aufgeführt."
Die Kasino-Betreiber sehen das – natürlich – anders. Die schwedische Firma Ongame Network, die die Portale Europoker und Pokerroom betreibt, sieht zum Beispiel überhaupt keine Rechtsunsicherheit. Denn, so führt die Firma in einer Stellungnahme gegenüber SPIEGEL ONLINE aus: "§ 284 StGB ist nicht anwendbar, weil es sich bei der von uns angebotenen Poker-Variante um Texas Hold’em handelt und diese Poker-Variante rechtlich als Geschicklichkeitsspiel und damit nicht als (unerlaubtes) Glücksspiel anzusehen ist." Unabhängig davon verfüge Ongame über EU-Lizenzen, die nach den europäischen Grundfreiheiten auch in Deutschland gelten würden.
Das Problem dabei: Man weiß nicht, ob ein deutsches Gericht dieser Argumentation folgt, weil es bisher keine entsprechenden Prozesse gegeben hat. Deutsche Staatsanwaltschaften verfolgen diese Online-Vergehen kaum. Laut Anwalt Bahr lassen sich die angestrengten Verfahren wegen Beteiligung am unerlaubten Online-Glücksspiel "an einer Hand abzählen". Der Experte für Glücksspielrecht erklärt das damit, dass die Staatsanwaltschaften ohnehin schon mit den Gewaltdelikten überlastet seien: "Beim illegalen Glücksspiel haben sie dann noch mehr als genug mit den Sportwettbüros und Pokerturnieren vor Ort zu tun. Es ist personell einfach nicht zu leisten, alle online zockenden Bürger zu verfolgen."
Geld fließt ungehindert an Web-Kasinos
Zocken können sie problemlos online, weil der deutsche Gesetzgeber zwar ein restriktives Verbot erlassen und das Glücksspiel monopolisiert hat, aber wenig für die Durchsetzung tat. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel verbietet es der "Unlawful Internet Gambling Enforcement Act" Banken und Finanzdienstleistern, Zahlungen zwischen US-Bürgern und Online-Zock-Angeboten im Ausland abzuwickeln (siehe Kasten unten). In Deutschland gibt es kein vergleichbares Gesetz.
ONLINE-ZOCK-VERBOT: DIE US-STRATEGIE GEGEN DAS WEB-GLÜCKSSPIEL
Harte Strafen Der kalifornische Börsenhändler Jay Cohen nahm auf Antigua über eine Web-Seite Sportwetten an – früher auch von US-Bürgern. Cohen wurde angeklagt, reiste freiwillig in die Vereinigten Staaten, um sich zu verteidigen und wurde im Jahr 2000 zu fast zwei Jahren Haft verurteilt, nach einem US-Bundesgesetz, das zum Beispiel übers Telefonnetz im Ausland abgeschlossene Wetten verbietet.
Neue Gesetze Trotz der WTO-Entscheidungen legt die US-Regierung eifrig neue Gesetze nach: Im vorigen Herbst unterzeichnete Präsident Bush den "Unlawful Internet Gambling Enforcement Act". Das Gesetz verbietet es Banken und Finanzdienstleistern, Zahlungen zwischen US-Bürgern und Online-Zock-Angeboten im Ausland abzuwickeln. Erste Opfer des Gesetzes wurden die Kanadier Stephen Lawrence und John Lefebvre, die den Online-Bezahldienst Neteller betreiben. Sie wurden von US-Behörden verhaftet, angeklagt und haben im Juli das Verfahren mit der Zahlung von 136 Millionen Dollar Geldbuße abgeschlossen.
Entschädigungs-Deals Vorige Woche haben sich die Vereinigten Staaten mit der EU auf eine Entschädigung für das Online-Zock-Verbot geeinigt. Der Vertrag soll EU-Unternehmen laut dem Fachdienst "Heise Online" Handelserleichterungen auf dem US-Markt für "Post-, Paket-, Lager-, Test- und Analysedienstleistungen" garantieren. Der Vertrag soll weniger als 100 Millionen Dollar wert sein. Handelspolitikexpertin Sallie James vom Cato-Institute beurteilt die Vereinbarung gegenüber SPIEGEL ONLINE so: "Den europäischen Glücksspielanbietern bringt das überhaupt nichts." Aber das liege in der Natur solcher Vereinbarungen. James: "Wenn in einem Bereich Markterleichterungen zurückgezogen werden, können Entschädigungen dafür natürlich nur in anderen Bereichen gewährt werden."
In einem der wenigen bekannten Online-Glücksspielfälle, die vor einem deutschen Gericht landeten, wurde die Angeklagte gar nicht wegen des Glücksspielparagraphen verurteilt, sondern wegen versuchten Betrugs beim Erschleichen von Krediten zur Finanzierung ihrer Spielsucht. Interessantes Detail: Die Angeklagte soll 40.000 Dollar in Online-Kasinos erspielt und mehr als 120.000 Dollar verloren haben, wie die " Neue Presse Coburg" im vorigen Oktober berichtete. Soviel zum Schutz vor Spielsucht per Glücksspielmonopol.
Restriktives Gesetz, aber kaum Unrechtsbewusstsein
Die Folge der kaum stattfindenden Verfolgung: Kaum jemandem scheint das Verbot bekannt zu sein – und falls doch, wird es nicht ernst genommen: Zwischen 500.000 und drei Millionen Deutsche spielen trotz Verbots regelmäßig bei ausländischen Online-Kasinos um Geld. Soweit die Zahlen aus diversen Umfragen und Studien – repräsentative Untersuchungen mit belastbaren Zahlen gibt es nicht.
Viele Spieler wie Projektmanager W. merken erst nach dem Einzug des Guthabens, dass sie keinen Anspruch auf das Geld haben, das sie an Online-Kasinos überwiesen oder dort gewonnen haben. Faktisch ist die Auszahlung Ermessenssache der Unternehmen. Man kann nur darauf hoffen, dass sie ihre Macht auch tatsächlich nur gegen Betrugsversuche nutzen – und dass sie nur selten falsch entscheiden.
Der Pokerportal-Betreiber Ongame Network aus Schweden erklärt zu diesem Rechtsproblem in einer Stellungnahme gegenüber SPIEGEL ONLINE, dass "die Spieler aus Deutschland selbstverständlich einen rechtlichen Anspruch auf ihr Geld haben, der auch einklagbar ist". Nur, so Ongame: "Natürlich ist – wie bei allen anderen im Ausland bestellten Waren beziehungsweise Dienstleistungen – die gerichtliche Durchsetzung aufwendiger als im Inland."
Das formulieren auch die meisten Anbieter klar in ihren Geschäftsbedingungen – wer diese langen, etwas versteckten Rechtstexte liest, bekommt nach langer Studienzeit einen recht guten Eindruck davon, worauf er sich einlässt (siehe Kasten unten).
ONLINE-POKER: DAS STEHT IN DEN GESCHÄFTSBEDINGUNGEN DER KASINOS
Spielergeld darf ohne Widerspruchsrecht eingezogen werden, Guthaben verfällt nach einer zu langen Spielpause – hier die kritischsten Punkte aus den Geschäftsbedingungen von Online-Kasinos.
Geld einfrieren bei Verdacht In fast allen Geschäftsbedingungen von Online-Poker-Portalen finden sich Formulierungen wie diese bei Pokerroom und Europoker: Die Seite darf "Auszahlungen, Boni und Gewinne einbehalten und die Vereinbarung beenden", wenn eine von vielen Bedingungen erfüllt ist. Zum Beispiel: "Die SITE hat Grund zu der Annahme, dass Sie eine Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eine der Richtlinien, Vorgaben oder Regeln verletzt haben" oder "Wir können bestimmte Informationen nicht verifizieren oder authentifizieren, die Sie der SITE geben."
Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom: "Bei bloßem Verdacht wird hier nicht gehandelt. Es handelt sich hier um Fälle des bewiesenen Betruges. Zuvor wird versucht, mit dem Betroffenen eine Regelung zu finden. Diese Fälle sind bisher in Deutschland noch nicht aufgetreten. Ein anderer Anwendungsfall wäre unerlaubtes Spielen Minderjähriger. In diesen Fällen wird aber das Echtgeldguthaben nicht einfach eingezogen, sondern rückabgewickelt."
Firmenentscheidungen sind endgültig Entscheidungen – wie zum Beispiel die, Guthaben in Verdachtsfällen einzuziehen – erklären die Pokerportale gerne für endgültig. Pokerstars zum Beispiel lässt per AGB dieses bestätigen: Die "in Bezug auf ein Nutzerkonto, Nutzung des Services oder Streitbeilegung getroffene Entscheidung des Managements von PokerStars ist endgültig, und die Möglichkeit der erneuten Vorlage oder einer Berufung ist nicht gegeben."
Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom: "Generell ist zu den AGB zu sagen, dass wir als schwedisches Unternehmen die nach der dortigen Rechtslage zulässigen AGB haben. Wir passen die AGB nicht jedem Land an, in dem unser Angebot abrufbar ist. Das Risiko, dass unsere in Schweden zulässigen AGB in anderen Ländern möglicherweise nicht gelten, tragen wir. Wir möchten aber betonen, dass wir die AGB generell gegenüber unseren Kunden sehr kulant auslegen. Dies hat seinen Grund auch darin, dass sich Unregelmäßigkeiten in der Internet-Community natürlich schnell herumsprechen und unserem Ruf als verantwortungsvoller europäischer Anbieter schaden würden."
Pokerstars hat auf die Fragen „Bedeutet, dass bei bloßen Verdachtsfällen Echtgeld-Guthaben eingezogen werden kann? Welche Möglichkeiten haben Spieler, gegen solche Entscheidungen vorzugehen?“ nicht in der von SPIEGEL ONLINE gesetzten Frist geantwortet.
Guthaben verfällt bei Nicht-Nutzung Wenn ein Spieler sich zu lange nicht beim Portal Partypoker einloggt und spielt, zieht der Anbieter Monat für Monat fünf Euro vom Spielerkonto ein. Dieses Detail findet man unter Punkt 11 der Partypokker-Geschäftsbedinungen, wo es heißt, dass "die Gruppe" nach 180 Tagen ohne Einloggen und Spielen diese Accounts mit einer Verwaltungsgebühr belegen darf. Deren Höhe nennt Partypoker auf einer anderen Seite mit dem Hinweis: "Gebühren können sich von Zeit zu Zeit ändern."
Dazu erklärt Partypoker auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE: "Jede Passage unserer Geschäftsbedingungen ist eingeschlossen worden, weil sie wichtig ist. Spieler stimmen ausdrücklich zu, dass sie die Geschäftssbedingnugen gelesen haben und ihnen zustimmen, bevor sie Geld einzahlen. Es ist üblich, eine Verwaltungsgebühr zu erheben, wenn Kosten entstehen, um das Konto für den Spieler aufrechtzuerhalten. Man kann nicht von uns erwarten, dass wir Konten ewig pflegen. Wenn Spieler inaktiv sind, werden sie per Mail gewarnt, dass eine monatliche Gebühr erhoben wird, falls sie nicht spielen oder das Geld komplett abheben. Die Punkte der Geschäftsbedingungen sind nicht nach Wichtigkeit sortiert. Es würde keinen Vor- oder Nachteil bringen, diese Passage höher oder tiefer einzuordnen, da alle gleich wichtig sind und der Spieler angibt, alles gelesen und verstanden zu haben."
Im Spiel-Chat nicht kritisieren Im Prinzip nachvollziehbar, aber völlig überzogen formuliert ist die Passage in den Pokerstars-AGB, die Nutzern der vom Portal angebotenen Chat-Optionen verbietet, "Äußerungen zu tätigen, in denen für eine andere Dienstleistung oder ein Produkt einer Partei außer PokerStars geworben wird." Das Unternehmen geht aber noch weiter und untersagt "Äußerungen über PokerStars oder den Service zu tätigen, welche unwahr sind oder berechtigterweise als verleumderisch oder kritisch aufgefasst werden können." Extrem scharf ausgeleget, bedeutet das: Wer Pokerstars auf der Plattform kritisiert, verstößt gegen die AGB, wer gegen die AGB verstößt, kann gesperrt und ausgeschlossen werden.
Pokerstars hat auf die Fragen "Beudeutet das, dass wer Pokerstars auf der Plattform kritisiert, gesperrt und ausgeschlossen werden kann? Was ist der Grund für diese Regelung?" nicht in der von SPIEGEL ONLINE gesetzten Frist geantwortet.
Was geschieht mit dem Geld, wenn die Site schließt? Beunruhigende Klausel in den Geschäftsbedingungen von Europoker: Unter den Bedingungen, unter denen man "Auszahlungen, Boni und Gewinne einbehalten und die Vereinbarung beenden" kann, führt Europoker auch diesen Passus auf: "Die SITE entscheidet sich, den Betrieb einzustellen oder die SITE auf andere Weise ganz oder teilweise stillzulegen."
Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom: "Hier handelt es sich um eine Standardklausel. Natürlich werden die Spielerguthaben vorher ausgezahlt, falls dieser sehr unwahrscheinliche Fall eintreten sollte. Alles andere wäre auch nicht zulässig."
Datenschutz und Spähprogramme Zur Aufdeckung und Abwehr von Betrug per Schummel-Software lassen sich fast alle Betreiber von Online-Poker-Portalen in den Geschäftsbedinungen weitreichende Rechte zum Scannen der Rechner, auf denen die Spiel-Software läuft, einräumen. Zugespitzt gesagt: Viele Online-Poker-Programme funktionieren wie Trojaner. Um die "Sicherheit und Integrität des Spiels zu gewährleisten", fahndet Europoker zum Beispiel "auf den Computern der Spieler selbst" nach "Software-Programmen, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, z. B. Poker-Bots".
Auf die Frage, ob das die einzigen Informationen sind, die gescannt werden, antwortet die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom: "Bei Auszahlung wird eine Ausweiskopie verlangt (Altersschutz) und wir haben ein sehr umfassendes Fraudprevention-System."
Klagen bitte auf der Isle of Man, in Kanada oder Schweden Aberwitzig ist es, wie die Pokerportale per AGB den Gerichtsstand in beliebige Staaten verlegen. Bei Partypoker ist das für EU-Bürger Gibraltar, für andere die Insel Alderney. Pokerstars zum Beispiel erklärt kategorisch: "Diese Vereinbarung und alle mit ihr verbundenen Angelegenheiten unterliegen dem Recht der Isle of Man und sollen nach diesem ausgelegt werden."Europoker lässt sich von seinen Kunden abnicken, dass sie sich "für die Klärung von Disputen, Kontroversen oder Forderungen, die sich aus oder in Verbindung mit diesen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder dem Verhältnis zwischen Ihnen und der SITE ergeben, der ausschließlichen schwedischen Gerichtsbarkeit" unterwerfen.
Dazu erklärt Partypoker: "Wir bieten einen Spieldienst von Standorten unter der Gerichtsbarkeit von Alderney und Gibraltar aus an. Wir werden von den Aufsichtsbehören dieser Gerichtsbarkeiten überwacht. Es ist Teil unserer dortigen Lizenzauflagen, unsere Geschäftsbedingungen der dortigen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen. Das erleichert es der Aufsichtsbehörde, alle Streitigkeiten zu regeln, die auftauchen mögen. Aufgrund der globalen Ausrichtung unserer Dienstleistungen wäre es nicht möglich, unsere Angebote den Gesetzen jeder Gerichtsbarkeit, aus der Kunden stammen, zu unterwerfen. Dies würde zu Konflikten und Rechtsunsicherheit führen, was dem Kunden nicht nutzen würde. Gerade deshalb bemüht sich die EU ständig, einheitliche Rahmenbedingungen zum Schutz der Verbraucher zu schaffen. Die Gesetze von Gibraltar und Alderney, an die wir gebunden sind, bieten mehr als das notwendige Maß an Verbraucherschutz."
Dazu erklärt die schwedische Firma Ongame Network Ltd., Betreiber von Europoker und Pokerroom: "Grund ist, dass die Firma Ongame aus Schweden stammt. Bisher ist noch kein Fall eingetreten, in dem eine gerichtliche Lösung nötig war. Wir sind unseren Kunden gegenüber sehr kulant und regeln mögliche Probleme außergerichtlich."
Pokerstars hat auf die Frage "Diese Formulierung widerspricht nach Einschätzung von Juristen deutschen Gesetzen, da für deutsche Verbraucher generell deutsches Recht gilt. Warum schließt Pokerstars das dennoch in den Geschäftsbedingungen aus?" nicht in der von SPIEGEL ONLINE gesetzten Frist geantwortet.
Viele dieser Passagen widersprechen deutschem Recht. Der Experte für Glücksspielrecht Martin Bahr erklärt: "Für deutsche Verbraucher gilt deutsches Recht, auch wenn die Online-Poker-Anbieter das in ihren Geschäftsbedingungen ausschließen. Das ist aber bedeutungslos."
Faktisch ist Online-Zocken in Deutschland unreguliert
Denn nach deutschem Recht sind die Verträge zwischen den Spielern und Unternehmen gegenstandslos, da sie gegen das Verbot unerlaubten Glückspiels verstoßen. Die Folge: Die Unternehmen haben nach deutschem Recht keinen Anspruch auf Zahlungen der Spieler, die Spieler haben keinen Anspruch auf Auszahlung erspielter Gewinne oder eingezahlter Beträge.
In Deutschland wird niemand gegen die Betreiber eines Poker-Portals klagen, weil sein Guthaben eingefroren wurde. Anwalt Bahr erläutert: "In Deutschland können die nicht klagen, und auf der Isle of Man oder sonstwo wird das kaum jemand tun angesichts der Kosten. Sollte das mal angesichts hoher Summen jemand dennoch versuchen, müsste er angesichts der zu erwartenden Publicity eine strafrechtliche Verfolgung in Deutschland fürchten." Und womöglich auch Forderungen des Finanzamts, wenn die Tätigkeit gewerblich erscheint (siehe Kasten unten).
ONLINE-GLÜCKSSPIEL: MÜSSEN ZOCKER IHRE GEWINNE VERSTEUERN?
Glücksspielgewinne generell steuerfrei Grundsätzlich müssen Privatleute für Spielgewinne keine Steuern zahlen – gleich ob diese aus legalem Glücksspiel, also den staatlich geschützten Monopolkasinos oder illegaler Online-Zockerei bei ausländischen Anbietern ohne deutsche Lizenz anfallen. Der Hamburger Steuerberater Michael Schleifer fasst die Rechtslage so zusammen: "Grundsätzlich sind Spielgewinne nach derzeit vorliegender Rechtsprechung keiner der sieben Einkunftsarten zuzuordnen, da sie in der Regel ohne Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und ohne nachhaltigen Leistungsaustausch mit Anderen erzielt werden (Lottogewinne, Roulettegewinne)." Folge: Im privaten Vermögensbereich bleiben diese Einnahmen einkommensteuerfrei.
Einschränkung: gewerbliche Berufsspieler müssen zahlen Der Bundesfinanzhof (BFH) hat allerdings in einigen Entscheidungen bei sogenannten Berufsspielern in Kasinos Anfang der neunziger Jahre eine Steuerpflicht auf Spielgewinne festgestellt (XI R 48/91, V R 20/91). In diesen Entscheidung definiert das Gericht eine Grenze zwischen der privaten Vermögensebene und den Ausnahmefällen einer "gewerblichen und daher einkommensteuerpflichtigen Tätigkeit eines Berufsspielers", wie Steuerberater Michael Schleifer zusammenfasst.
Wann ist Online-Poker gewerblich? Auf das Online-Glücksspiel hat bislang noch kein Gericht diese BFH-Entscheidungen übertragen. Steuerberater Schleifer erklärt: "Entscheidungen zur Frage, ob regelmäßige Gewinne aus der Teilnahme an Online-Pokerrunden Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes – entweder gewerbliche/berufliche oder auch sonstige Einkünfte – sind, liegen meines Wissens nach noch nicht vor." Darüber, wie Richter entscheiden werden, falls ein Online-Poker-Fall einmal vor Gericht landet, kann man nur spekulieren. Steuerberater Schleifer hält es für plausibel, dass Finanzgerichte "bei einer quasi hauptberuflichen Qualität zu dem Ergebnis kommen könnten, die Gewinne einer Einkunftsart zuzuordnen und damit einkommensteuerpflichtig werden zu lassen." Dazu müsste aber eine Erwerbstätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht nachweisbar sein. Steuerberater Schleifer. "Zum Beispiel der Berufsspieler mit besonderen Fertigkeiten, die ihm die Planung einer nachhaltigen Einkünfteerzielung ermöglichen."
Meldet das Finanzamt Online-Zocker der Staatsanwaltschaft? Wie gehen Finanzämter mit Einnahmen aus Online-Pokerspielen um? Eine theoretische Frage, erklärt Sebastian Panknin, Sprecher der Hamburger Finanzbehörde und verweist darauf, dass die Teilnahme an solchen von Behörden nicht erlaubten Glücksspielen in Deutschland illegal ist. Grundsätzlich müssten Privatleute aber für Gewinne aus Glücksspiel keine Steuern zahlen – unabhängig, ob diese nun bei legalen deutschen Kasinos oder Lotterien anfallen oder in Internetkasinos erspielt wurden. Sollte nun ein Spieler diese Einnahmen dennoch dem Finanzamt melden, würde man ihn wohl nicht zwangsläufig der Staatsanwaltschaft melden. Denn, so Panknin: "Laut der Abgabenordnung müssen Amtsträger das Steuergeheimnis wahren. Eine Ausnahme gilt, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, Verbrechen und vorsätzliche schwere Vergehen gegen Leib und Leben zu verfolgen." Und darunter dürfte die Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel nicht fallen, schätzt Panknin.
Harte Pornografie ist in Deutschland online ohne jede Altersprüfung verfügbar, und beim Onlinezocken kann jeder Bundesbürger mit Kreditkarte und Internet-Zugang so viel Geld verspielen, wie er will und kann, ohne dass irgendwelche deutschen Restriktionen greifen. Der Coburger Fall ist dafür ein krasses Beispiel.
Der Rechtsexperte Bahr formuliert daher sein Fazit so: "Unerlaubtes Glücksspiel ist verboten, das Bundesverfassungsgericht hat diese Monopolisierung erlaubt, da sie dem Schutz vor Spielsucht dienen soll. Tatsächlich greift dieser Schutz nicht, unerlaubtes Glücksspiel mit Echtgeldeinsatz wird online millionenfach praktiziert – und das völlig unreguliert."
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Published by Konrad Lischka
Privat denke ich über Gesellschaft und Technik nach (meist über das Zusammenwirken von beidem). Was mir einfällt, schreibe ich meiner Freizeit hier ins Blog, in Bücher und erzähle es bei Vorträgen. View all posts by Konrad Lischka