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"66 Millionen Spieler, 16 Milliarden Spiele, jeden Monat"

Konrad Lischka
Konrad Lischka
4 minuten gelesen
"66 Millionen Spieler, 16 Milliarden Spiele, jeden Monat"

In Hongkong spielt jeder dritte Smartphone-Besitzer ihr Bonbon-Puzzle-Spiel: Die Spieleplattform King wird zehn Jahre alt und ist populärer als je zuvor. Gründer Riccardo Zacconi verrät im Interview, wie er in sechs Monaten 34 Millionen Facebook-Spieler gewann.

Spiegel Online, 2.5.2013

SPIEGEL ONLINE: Ihre Firma ist seit 2005 profitabel, Sie verdienen viel mit Casual-Titeln, bei denen man um Geld spielt, im Wettbewerb zum Beispiel Bonbons in die richtige Reihenfolge legt. Nun ändern Sie das Geschäftsmodell komplett – warum?

Zacconi: Wir haben zehn Jahre lang mit einem Nischenmodell Geld verdient, auf Facebook, Smartphones und Tablets erreichen wir jetzt die Masse. Die Turnier-Spiele auf King.com kommen bei Intensiv-Spielern gut an. Jede Spielrunde ist nach drei Minuten vorbei, es gibt einen Gewinner und einen Verlierer, man kann Geld setzen. Doch die breite Masse will mit Freunden zusammen spielen und nicht gegen andere, ähnlich starke Gegner antreten wie die Intensiv-Spieler. Da passen wir unser Modell an – mehr Level, kein Wettbewerb.

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht ein typischer Intensiv-Spieler aus?

Zacconi: Von unseren zehn Millionen täglichen Spielern auf King.com sind 70 Prozent Frauen zwischen 25 und 45 Jahren aus Europa und den USA.

SPIEGEL ONLINE: Moment, Frauen wollen in Duellen im harten Wettbewerb spielen?

Zacconi: Jein. Wir sprechen hier nur über Menschen, die Casual Games spielen. An der Spitze der Pyramide sind die Intensiv-Spieler. Das sind zu 70 Prozent Frauen. Je weiter man zur Basis der Pyramide geht, desto mehr entspricht die demographische Verteilung der in der Gesamtgesellschaft. An der Basis haben wir 50 Prozent Frauen, 50 Prozent Männer, das ist in Europa, den USA, Hongkong, Taiwan und auf den Philippinen so. Bubble Shooter, Wimmelbilder, Drei-Gewinnt – das funktioniert da überall. In Japan und China starten wir erst. Die Basis erreichen wir über Smartphones, Tablets und Facebook.

SPIEGEL ONLINE: Wie groß ist die Basis absolut?

Zacconi: Wir erreichen mit den 160 Titeln unseres Turnier-Portals King.com zehn Millionen Spieler täglich. Auf allen Plattformen haben wir täglich 66 Millionen Spieler – und das bei gerade mal acht Spielen auf Facebook und zwei Mobil-Titeln. Im November 2012 hatten wir unsere ersten zwei Mobil-Spiele vorgestellt, jetzt kommt mehr als die Hälfte unsere Traffics von Smartphones und Tablets – von Null auf 34 Millionen Spieler täglich in sechs Monaten.

SPIEGEL ONLINE: Spielen Menschen weniger am PC, wenn sie das Smartphone nutzen?

Zacconi: Nein, wir haben bei unseren Spielen den gegenläufigen Trend. Die Kunden, die zuvor schon am PC gespielt haben, spielen auch weiter auf King.com oder Facebook am Rechner. Das tun sie intensiver, wenn sie auch mobil spielen. Die Verbleibquote steigt um 25 Prozent, die Spieler bleiben einem Titel länger treu und sie spielen auch am Wochenende. Wir hatten früher vor allem PC-Spieler werktags auf der Seite, mit der Mobilnutzung steigen die Wochenendzugriffe.

SPIEGEL ONLINE: Wie viele der neuen Mobil- und Facebook-Kunden zahlen?

Zacconi: Zehn Prozent der Spieler, die eines unserer Mobile-Spiele beenden, haben im Spielverlauf mindestens einmal gezahlt.

SPIEGEL ONLINE: Wahrscheinlich aber nur sehr wenig.

Zacconi: Ja, auf einen Spieler gerechnet sind die Durchschnittsbeträge im Monat sehr klein. Das sind Cent-Beträge im Schnitt. Aber in der Summe ist das viel bei derzeit 16 Milliarden Spielen im Monat.

SPIEGEL ONLINE: Wofür zahlen die Nutzer denn?

Zacconi: Um es etwas leichter zu haben im Spiel. Bei unseren Mobil- und Facebook-Spielen absolviert man eine entspannte Reise durch 70 bis 300 Level eines Spiels. Es gibt auf jeder Stufe eine Mindestzahl von Punkten, die man erreichen muss. Schafft man das nicht, verliert man ein Leben. Fünf Leben hat jeder. Wer keine Leben mehr hat und sofort weiterspielen will, kann weitere Leben kaufen. Er kann auch Freunde einladen und um Hilfe bitten, einen Werbespot anschauen oder 20 Minuten warten.

SPIEGEL ONLINE: Ihre Firma hat fast zehn Jahre lang Geschicklichkeitsspiele für den Browser entwickelt – ist die Umstellung auf Facebook und Mobil schwer?

Zacconi: Wir haben Glück, weil Casual Games sich perfekt dazu eigenen, auf Smartphones gespielt zu werden. Nicht alle Inhalte funktionieren gut auf diesen Geräten. Wenn ich in der U-Bahn drei Haltestellen Zeit haben, höre ich Musik, aber ich schaue keinen Film. Ich spiele Casual Titel, nicht langwieriges Ressourcen-Management. Casual Games versteht man schnell, eine Partie läuft in der Regel drei Minuten und statt einer Geschichte steht Gameplay im Vordergrund. Am Prinzip mussten wir also nichts ändern.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben acht Spiele auf Facebook, davon sind vier in der Top Ten der meistgespielten. Ihre Geheimformel in einem Satz?

Zacconi: Wir experimentieren günstig. Wir probieren Ideen erst bei den Intensiv-Spielern auf King.com aus. Für die Entwicklung braucht man drei Leute über drei Monate, es ist nur ein Level, die Dynamik kommt durch die Turniere. Wenn die Spieler an der Spitze der Pyramide etwas mögen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es der Basis gefällt. Wir haben auf King.com 160 Spiele ausprobiert und wir machen etwa 15 neue im Jahr. Was sich bewährt, startet mit 70 Leveln auf Facebook, das dauert mit einem größeren Team sieben Monate. Wenn es gut läuft, folgen alle zwei Wochen neue Level bis 300 oder mehr.

SPIEGEL ONLINE: Als was sehen Sie Ihre Spiele – Kunst, Dienstleistung?

Zacconi: Wir produzieren Unterhaltung. Wir berühren Menschen. Ich war vor ein paar Wochen privat in Hongkong, da spielt ein Drittel der Smartphone-Nutzer unsere Titel. Ich habe in der U-Bahn gesehen, wie Fahrgäste “Candy Crush Saga” spielen. Im Park sitzen Freunde auf der Wiese zusammen und spielen gemeinsam, geben sich Leben. Da registrieren sich Leute bei Facebook, um mit ihren Freunden unsere Titel spielen zu können.

Blog

Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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