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So kommt Glasfaser vom Internetknoten bis ins Bürgerzentrum nach Altenessen

Konrad Lischka
Konrad Lischka
5 minuten gelesen
So kommt Glasfaser vom Internetknoten bis ins Bürgerzentrum nach Altenessen
Aus zwei Fasern wird eine.

Egal wo: Je genauer man hinschaut, desto klarer treten die wirklich relevanten Fragen hervor. Beim Glasfaser-Gefasel zum Beispiel glaube ich inzwischen: Knackpunkt sind erstmal nicht die Fördersummen. Knackpunkte sind angesichts begrenzter Tiefbau-Kapazität und vielen Abhängigkeiten zwischen Netzbetreibern:

  • möglichst selten Straßen aufreißen
  • bestehende Infrastruktur möglichst effizient von verschiedenen Providern nutzen lassen
  • Bauanträge schneller bearbeiten

Wie Lösungen dafür aussehen könnten, ist ein anderes Thema. Das war es auch schon mit der Metaebene. Hier unten schreibe ich jetzt auf, wie so ein Glasfaserausbau eigentlich konkret aussieht. Ich hatte die Gelegenheit beim Zentrum für Kooperation und Inklusion in Essen die Planungen mitzukriegen – Danke dafür an Philip Berndroth und Jan Saure! Im ZKI bauen viele Menschen zusammen ein altes Gemeindezentrum im Essener Norden zu einem neuen Treff für Vereine, Initiativen und Engagierte um. Glasfaser gehört da ins Haus, richtig gute Infrastruktur auf den 2000 Quadratmetern – schließlich sollen da Veranstaltungen und Workshops und Seminare und Büroarbeit parallel laufen.

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Wie kommt Glasfaser da also hin? Anschauung in sieben Schritten (und ja, ist alles vereinfacht und tatsächlich noch weit komplexer – Infrastruktur kommt nicht aus der Wand).

1. Vom Internetknoten in Düsseldorf zur Kreuzung Altenessener / Karl-Denkhaus-Str.

Schacht: Hier müssen zwei Glasfasern abgezweigt werden, um das KD11/13 anzubinden.
Schacht: Hier müssen zwei Glasfasern abgezweigt werden, um das KD11/13 anzubinden.

Der Provider des Begegnungszentrums philuweb hat seinen nächsten Übergabepunkt ins Internet in Düsseldorf, am Internetknoten DECIX. Wie kommt der Traffic von Düsseldorf nach Essen und umgekehrt? Der Provider bucht eine Vorleistung bei einem anderen Netzbetreiber. Dieser Anbieter stellt als Dienstleistung die Infrastruktur für den Transport vom Übergabepunkt ins Netz der philuweb am Internetknoten in Düsseldorf bis zum Übergabepunkt im Keller des Hauses an der Karl-Denkhaus-Straße.

Klingt einfach, wird komplizierter. Denn der Dienstleister (Unitymedia) hat natürlich keine durchgehende Leitung von Altenessen bis Düsseldorf-Hassels. Ein Teil der Strecke wird über physische Leitungen der Deutschen Telekom laufen, von der Netzbetreiber wiederum entsprechend Kapazität bucht. Etwa 70 Meter vom Gemeindezentrum entfernt verläuft unter der Altenessener Straße Telekom-Glasfaser. Hier wird ein Techniker Glasfasern auffächern, eine Spleißbox installieren und einen Abzweig legen. Eine Spleißbox ist ein Kasten, in dem zwei Enden einer Glasfaser so genau zueinander stehen, dass das Licht weiterläuft.

Komplex ist das, weil in so einem Glasfaserkabelstrang bis zu 144 einzelne Fasern stecken. Man muss die richtige, bzw. die beiden richtigen abzweigen. Zwei Fasern, weil: Eine fürs Senden (TX wie transmit), eine fürs Empfangen (RX wie receive). Man kann mit entsprechender Modulen an den Enden einer Faser auch auf einer Senden und Empfangen, aber das führt hier zu weit in die Tiefe. Wichtig ist: Bei bis zu 144 Fasern die richtige abzweigen und im Micrometerbereich glatt trennen und an die verlängernde Faser spleißen – das macht man nicht einfach so. Vor allem, weil die falsche durchtrennte Faser hier auch dazu führen kann, dass ein Einkaufszentrum oder ein paar Straßenzüge offline sind.

Deshalb kommt man auch nicht so einfach an die Infrastruktur zum Abzweigen ran – da braucht es einen Antrag bei der Telekom, an die Leitungen dürfen nur qualifizierte Fachkräfte als kompetent erachteter Dienstleister ran. Schon der erste Schritt ist kompliziert. Nochmal knapp: Es gibt viel physische Infrastruktur (Kabel im Boden) in privater Hand. Auch wenn ein Provider (hier die philuweb) den “Internetanschluss” regelt, läuft der Datenverkehr durch physische Infrastruktur unterschiedlicher Anbieter: In unsere Fall bucht philuweb für einen Abschnitt Kapazität bei Unitymedia, die wiederum einen Teil der Strecke über Infrastruktur der Telekom abwickeln.

2. Von der Kreuzung zum Gemeindezentrum

Bürgersteig an der Karl-Denkhaus-Straße: Hier muss auf etwa 70 Metern Glasfaser unterm Bürgersteig verlegt werden

Auf den etwa 70 Metern von der Telekomleitung bis zum Gemeindezentrum wird Unitymedia Glasfaser verlegen müssen. Das heißt: Bauantrag bei der Stadt stellen, genehmigt bekommen, Tiefbau-Kapazität besorgen, absperren und so weiter. Tiefbau mitten in der Stadt neben einem Einkaufszentrum ist kein Allerweltsjob. Hier liegen Strom, Wasser und andere Telekommunikationsleitungen im Boden. Da braucht es erfahrene Menschen und Zeit. Das ist eine der in der öffentlichen Diskussion vielleicht am meisten unterschätzten Herausforderungen beim Breitbandausbau: Da müssen Menschen arbeiten und es gibt nicht beliebt viele, die das können.

3. Im Keller aus dem Provider- ins Hausnetz

Die Wand: Hier kommt schon die alte Kupferleitung von der Straße

Aus dieser Kellerwand wird das neu verlegte Erdkabel mit zwei Glasfasern kommen. Es wird in einem Kasten enden, der irgendwo an dieser Wand hängt. Dieses Kundenendgerät (CPE – customer premises equipment) ist der Endpunkt des Providernetzes, über das der Datentransfer vom zwischen dem Internetknoten in Düsseldorf und dem KD 11/13 läuft. Von hier geht es mit Patchkabel weiter zum Gateway-Router im Hausnetz.

4. Der Gateway-Router – das Tor ins Hausnetz

Im Foto oben sieht man ganz unten im Rack den Gateway-Router. Hier kommen die Patchkabel rein. Das sind bildlich gesprochen die Wege in die Netze da draußen. Derzeit führt die einzige Anbindung zu einem LTE-Modul auf dem Dach (das graue Kabel, das links hinausführt). Wenn die Glasfaser da ist, wird die LTE-Anbindung das Redudanzsystem. Der Gateway-Router verteilt die Datenpakete (Routing), darauf läuft Sicherheitssoftware, die Datenströme analysiert, um zum Beispiel Angriffe von außen abzuwehren. Das System ist aus der Ferne wartbar.

5. Vom Gateway-Router zum Core-Switch – der Datenverkehr wird auf Etagen verteilt

Vom Gateway-Router führt ganz rechts ein Kabel mit zwei gelben Fasern nach oben. Zu einem von zwei Core Switches. Zwei, damit der untere bei einem Hardwaredefekt übernehmen kann. Der Core Switch verteilt den Datenverkehr im Haus auf kleinere Einheiten – hier im Zentrum für Kooperation und Inklusion sind es die Etagen. Auch über den Core Switch läuft der gesamte Datenverkehr, allerdings unterteilt und ohne die Sicherheitsanwendungen des Gateway-Routers.

DIY-Netzwerken: Orange die Netzwerkabel zwischen Endgeräten und Etagen-Switch, schwarz die Glasfaserkabel zwischen Etagen-Switchen und dem Core-Switch im Keller

6. Die Etagen-Verteiler – Switches verteilen an die einzelnen Zugangspunkte im Haus weiter

Vom Core-Switch im Keller führen Glasfaser-Patchkabel zu den Verteiler in jeder Etage. Von den 48 Ethernet-Buchsen im Etagen-Switch führen dann orangene Cat-Netzwerkkabel zu den Rechnern, WLAN-Accesspoints und anderen Endgeräten im KD 11/13. Hier ist derzeit nur ein WLAN-Accesspoint provisorisch in den Etagen-Switch eingestöpselt.

7. Handwerk auf jeder Etage: Die Kunst des Fasernspleißens

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Um eine Faser zu verlängern, muss man beide Enden so verbinden, dass die Lichtwellen sich von einem Ende ins andere ausbreiten können. Die Enden müssen glatt abgeschnitten sein. Dazu dient der Cleaver – das Faserbrechgerät. Und diese Enden müssen dann exakt zueinander stehen. Das macht das Spleißgerät. Es beleuchtet die Fasern, richtet sie aus – wir sind hier im Nanometerbereich. Aber auch das Abmantelns, Reinigen und Trennen der Faser ist filigrane Arbeit. Mit Erfahrung und Konzentration kann man das von Hand machen wie Jan Saure auf diesem Foto, es gibt auch spezielle Vorbereitungsgeräte dafür.

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Konrad Lischka

Projektmanagement, Kommunikations- und Politikberatung für gemeinnützige Organisationen und öffentliche Verwaltung. Privat: Bloggen über Software und Gesellschaft. Studien, Vorträge + Ehrenamt.
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